PASSEND DAZU
Allplan, FRILO, Archicad und Solibri kommen zum Einsatz
Vorbild baues + partner – Eine vielschichtige und fortschrittliche BIM-Planung
veröffentlicht am 28. März 2024, 09:00
von Tim Kullmann
BIM ist keine Software, sondern eine Planungsmethode: das zeigt das hochmoderne Multifunktionsgebäude, das auf dem Firmengelände der Gottschall + Sohn KG entstehen wird. Das Planungsbüro baues + partner verantwortet in dem Projekt die Architektur, die Tragwerksplanung sowie den Wärme-, Schall- und Brandschutz und nahm das Bauvorhaben zum Anlass, die Planungsmethode BIM zu erproben. Inhaber Dr. Stefan Baues gewährt Einblicke in seine vielschichtige und fortschrittliche BIM-Planung.
- Beim Bauvorhaben in Grevenbroich modellierten die Architekten von baues + partner das Gebäude in der CAD-Software Archicad
- Das mit Archicad erstellte Tragwerksanalysemodell wurde als SAF-Datei exportiert und für die statische Berechnung an den BIM-Connector® von FRILO übergeben
- Auf Grundlage der in FRILO ermittelten Statik erstellte das Planungsbüro die Positions-, Schal- und Bewehrungspläne mit der BIM-Software Allplan
Der Fachgroßhandel für technische Gebäudeausstattung Gottschall + Sohn KG (Teil der GC-Gruppe) plant auf dem eigenen Firmengelände im niederrheinischen Grevenbroich die Errichtung eines Multifunktionsgebäudes. Im Erdgeschoss des Gebäudes in Massivbauweise entsteht auf ungefähr der Hälfte der Fläche eine große Sanitärausstellung für Privatkunden. Hier stellt das Unternehmen die Sanitärobjekte, die über die Handwerksbetriebe bezogen werden, für den Endverbraucher aus.
Ein Viertel der Fläche des Erdgeschosses ist für Schulungszwecke vorgesehen, um Handwerksbetriebe an den neusten Produkten direkt schulen zu können. Im letzten Viertel wird eine einzügige Kindertagesstätte für die Belegung durch die Stadt Grevenbroich untergebracht. Im Obergeschoss wird die eine Hälfte der Fläche durch drei Seminarräume belegt, die für weitere Schulungen von Kunden und Mitarbeitern der GC-Gruppe genutzt werden. Die andere Hälfte des Obergeschosses ist für die Kantine und Küche vorgesehen.
baues + partner übernehmen die Gebäudeplanung
Mit baues + partner wurde ein Großteil der Planung des Gebäudekonzepts an ein lokales Planungsbüro aus Korschenbroich vergeben. Neben der Architektur (inklusive Innenarchitektur) übernahmen baues + partner auch die Tragwerksplanung, den Schall- und Wärmeschutz sowie die Umsetzung der Brandschutzanforderungen für das nicht unterkellerte Massivgebäude. Das Gebäude ist als zweigeschossiger Stahlbeton-Skelettbau mit einer tragenden Stahlbetonbodenplatte konzipiert. Die Stabilisierung erfolgt durch Stahlbetonwandscheiben, welche über beide Stockwerke geführt werden. Die verschiedenen Nutzungsbereiche werden für Schallschutz und Brandschutz je nach Anforderung durch Mauerwerkswände getrennt.
Dr.-Ing. Stefan Baues, der das Architektur- und Ingenieurbüro für Gebäudeplanung gemeinsam mit seiner Frau und Architektin Melanie Baues führt, glaubt zu wissen, warum er den Zuschlag für den Auftrag von Gottschall & Sohn KG bekommen hat. „Bei dem Multifunktionsgebäude handelt es sich um kein riesiges, aber dafür ein sehr fortschrittliches Bauwerk. Das haben wir in unserem Büro zum Anlass genommen, im Hinblick auf die Planungsmethode einen neuen, progressiven Weg einzuschlagen. Erstmals haben wir in einem Projekt durchgängig modellbasiert nach BIM und nicht mehr dokumentenbasiert geplant“, erläutert Baues den Grund für die BIM-Planung.
Das Leuchtturm-Projekt für die BIM-Planung
Mit diesem Konzept habe man laut Baues den Bauherren begeistern können. Man sei bei baues + partner schon länger dabei, den Planungsprozess im Büro umzustellen, aber letztlich müsse man seine BIM-Erfahrungen in einem realen Bauprojekt sammeln. Um die BIM-Planung im Büro optimal implementieren zu können, durchlief Baues in der Vorbereitung auf die Objektplanung die vier Module des Qualifizierungsprogramms „BIM Standard Deutscher Architekten- und Ingenieurkammern“.
„Durch das Programm habe ich gelernt, dass BIM-Planung mehr ist, als Gebäudemodelle mit Informationen zu füllen. Vielmehr muss man sich Gedanken darüber machen, wie man sein Dokumenten-, Issue- und BIM-Management organisiert. Dabei ist wichtig, Kommunikationswege zwischen allen Planungsbeteiligten und die Verantwortlichkeiten der Planungsbeteiligten klar zu definieren. Das Qualifizierungsprogramm war in diesem Zusammenhang sehr hilfreich“, resümiert der Tragwerksplaner, der in dem Multifunktionsgebäude ein Projekt sieht, das sich bestens dafür eignet, das Erlernte umzusetzen und den eigenen BIM-Zielen einen Schritt näher zu kommen.
Visualisierung mit Dalux überzeugt
„Die ersten Ziele für die BIM-Planung in unserem Büro sind bereits festgelegt: Visualisierung, Kollisionsprüfung und Mengenermittlung. Für die Kollisionsprüfung wollen wir die Fachmodelle der unterschiedlicher Fachdisziplinen so koordinieren, dass wir sie auf ihre Konsistenz prüfen können. Zudem erhoffen wir uns perspektivisch, Massen dank BIM modellbasiert zu ermitteln, um so die Kosten und den Zeitaufwand in den unterschiedlichen Leistungsphasen frühestmöglich einschätzen zu können“, sagt Baues. Das Vorhaben, bei der Visualisierung auf BIM-Modelle als Basis für Projektbesprechungen im Zuge der Planung und Ausführung zurückzugreifen, hat das Büro bereits umgesetzt.
Um die einzelnen Fachmodelle in einer Arbeitsumgebung zu visualisieren und übereinander zu legen, arbeiten baues + partner mit dem BIM-Viewer von Dalux. Auf der Datenplattform laden Baues und das Team die 3D-Modelle unterschiedlicher Planstände aus den Leistungsphasen 1-5 mit entsprechender Nomenklatur hoch und vergleichen. „Wir legen in Dalux alle Modelle übereinander und leiten daraus gewissermaßen ein Koordinationsmodell ab, an dem wir unsere Besprechungen durchführen. Auch für den Bauherrn macht diese Art der Planung vieles einfacher. Er bekommt frühzeitig anhand eines 3D-Modells einen Eindruck davon, wie das Gebäude aussehen wird. Er kann es Freunden, Kollegen und Geschäftspartnern zeigen. So wird das Projekt für den Bauherrn sehr konkret und fassbar“, schwärmt Baues.
Organisation der BIM-Planung im Büro
Um die Arbeitsmethodik BIM gemäß der eigenen Zielvorgaben zu realisieren, sind außerdem gefestigte Strukturen und klare Aufgabenverteilung innerhalb des Büro notwendig. Bei baues + partner gibt es in den Fachdisziplinen Architektur und Tragwerksplanung geschulte Mitarbeiter, die die verschiedenen Modelle handwerklich mit der entsprechenden CAD- bzw. Statiksoftware erstellen. Hinzu kommen Projektleiter für jede Disziplin. Sie sind bei den Vorbesprechungen dabei und wirken im Interesse der Fachdisziplin, die sie vertreten, auf das Konzept ein.
„Die Herausforderung bei der BIM-Planung besteht darin, diejenigen, die das Fachwissen haben, mit denen, die die Programme und Softwares beherrschen, zusammenzubringen“, gesteht Baues, der aus eigener Erfahrung weiß, dass es ein langer Weg ist, bis die angestrebten Planungsprozesse tatsächlich im Büro abgebildet werden. Deshalb setzt er mittlerweile in seinem Büro zusätzlich eine Gesamtinformationskoordinatorin ein. Diese prüft alle Modelle, koordiniert das Gesamtprojekt und ist im ständigen Austausch mit den Projektleitern der einzelne Fachdisziplinen. „Die Struktur hat sich in unserem Büro bewährt. Ich habe vor allem das Gefühl, dass die Fachdisziplinen, mit Hilfe dieser Art zu planen, durch gemeinsame Planungsbesprechungen wieder mehr Verständnis für die Sorgen, Nöte und Bedürfnisse der anderen Planer entwickeln“, sagt Baues. Es werde wieder mehr miteinander gesprochen.
BIM-Planung startet mit Architekturmodell in Archicad
Dieser Austausch und das strukturierte Arbeiten sind von Beginn an entscheidend für den Erfolg einer BIM-Planung. Beim Bauvorhaben in Grevenbroich modellierten die Architekten von baues + partner zunächst das Gebäude in der CAD-Software Archicad mit den entsprechenden Höhen. Nachdem der Bauherr den ersten Entwurf des 3D-Modells freigegeben hatte, klassifizierten Architekten und Tragwerksplaner in Archicad gemeinsam die Bauteile als tragend oder nichttragend. „Eigenschaften wie die Bauteilklassen, die Geschossigkeit und die Zuordnung zu den Geschossen müssen im Architekturmodell von Beginn an vollständig und korrekt hinterlegt sein“, betont Baues.
Bevor ein Modell an eine andere Software übergeben wird, prüfe das Team deshalb routinemäßig in Archicad, ob auch wirklich nichts übersehen wurde. Dabei arbeiten die Bauzeichner mit einer grafischen Überschreibung, mit deren Hilfe alle Bauteile, die nicht klassifiziert sind, in Archicad visuell gekennzeichnet werden. Außerdem lässt sich das Tragwerksanalysemodell, das auf die tragenden Bauteile reduziert ist, isoliert anzeigen. „So sehen wir auf einen Blick, ob gut modelliert wurde. Immer wieder höre ich, dass das mit den Datenübergaben zwischen verschiedenen Softwares nicht richtig funktioniert. Dabei liegt das Problem vielfach darin, dass Eigenschaften nicht richtig hinterlegt werden“, ist Baues überzeugt.
Übergabe an BIM-Connector für statische Berechnung mit FRILO
Nach der Fertigstellung der Vorentwürfe wurde das mit Archicad erstellte Tragwerksanalysemodell als SAF-Datei exportiert und für die statische Berechnung des Tragwerks an den BIM-Connector® der Statiksoftware FRILO übergeben. Im FRILO-Programm bearbeitete der zuständige Tragwerksplaner dann das 3D-Modell, um später einen sauberen Lastabtrag gewährleisten zu können. Dafür richtete er die Achsen der Bauteile zueinander aus. So wurden im vorliegenden Projekt zum Beispiel Decken mit kleinen Versprüngen auf eine Höhe gebracht und Wände entlang ihrer Achsen übereinander geschoben. Um Öffnungen in den Wänden beim Lastabtrag zu berücksichtigen, zerlegte der Tragwerksplaner mit dem Programm die Wände in Streifen oder Einzelbauteile.
Nach getaner Arbeit wurde das überarbeitete Tragwerksanalysemodell an das Gebäudemodell GEO der Baustatik-Software FRILO übergeben, wo der Statiker sowohl den vertikalen Lastabtrag als auch die Erdbebenlasten ermittelte. Für das Multifunktionsgebäude berechnete er die Statik der Decken mit dem Plattenprogramm PLT. Für die statische Berechnung der Unterzüge griff er auf den Durchlaufträger DLT+ zurück. Bei der Nachweisführung für Wände und Stützen aus Beton machte er vom Programm Stahlbetonstütze B5+ Gebrauch. Die Nachweise für die Mauerwerkswände wurden mit dem MWX+ geführt. Für jene Berechnungen wurden die im GEO bereits vordefinierten Geometrien sowie die dort ermittelten Lasten automatisch übergeben.
Komplette Ausführungsplanung mit Allplan
Bereits als die ersten Berechnungsergebnisse aus FRILO für die Vordimensionierung feststanden, fingen die Bauzeichner von baues + partner parallel zu den statischen Berechnungen an, das Fachmodell Tragwerksplanung als Grundlage für den späteren Positionsplan in der BIM-Software Allplan zu erstellen. Baues erklärt, warum seine Zeichner den Rohbau des Gebäudes nochmal in Allplan modellierten: „In der Tragwerksplanung benötigen wir als Ergebnis einer prüffähigen Statik auch einen Positionsplan. Dafür erstellen wir das Fachmodell Tragwerksplanung frühzeitig zum Ende der Leistungsphase 2 nach HOAI in Allplan.“
In dieses Fachmodell wurden alle in FRILO ermittelten statischen Berechnungsergebnisse kontinuierlich hineingearbeitet. Sobald der Positionsplan fertig war, erstellte das Team von baues + partner in Allplan die ersten Schalpläne. Dafür legte es die beiden Fachmodelle Architektur und Tragwerksplanung übereinander, um zu prüfen, ob alle Bauteile und Durchbrüche korrekt platziert wurden. Auf Basis der erzeugten Schalpläne wurden anschließend ebenfalls in Allplan die Bewehrungspläne für die Bodenplatte, Stützen, Decken und Unterzüge sowie die Stahlkonstruktionspläne für drei Fluchttreppen und einige Stahlvordächer mit Holzverkleidung angefertigt.
Kollisionsprüfung in Solibri
Sind die statischen Berechnungen vollzogen, prüft der Tragwerksplaner, ob die konstruktiven Annahmen des Architekten im Hinblick auf die Dimensionierung und den Einsatz der Bauteil zutreffen und nimmt gegebenenfalls Anpassungen am Modell in Allplan vor. Um nun Unstimmigkeiten zwischen den Ursprungsmodell aus Archicad und dem angepassten Modell aus Allplan , greifen baues + partner auf die Software von Solibri zurück. Dort werden die Modelle im Model Checker übereinander gelegt und es wird eine Kollisionsprüfung durchgeführt. Für die Kollisionen und Unstimmigkeiten werden Issues erstellt und in einem BCF-Report mit dem Architekten geteilt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass in allen Modellen die gleiche Informationen hinterlegt sind.
Das Beispiel von baues + partner macht deutlich: BIM ist keine Software, sondern eine Planungsmethode, die auf die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten angewiesen ist. Die richtigen Softwarelösungen sind zwar unerlässlich, um für die Planung von Bauwerken relevante Daten anhand von digitalen Informationsmodellen zu erfassen, zu verwalten und zu dokumentieren. Aber nur wenn auch alle Zahnräder ineinandergreifen und sich die am Projekt beteiligten Planer kooperativ zeigen, kann BIM funktionieren und für alle einen Mehrwert erbringen.
Dr.-Ing. Stefan Baues von baues + partner zeigt anhand eines realen Projekts wie das Modell des Objektplaners schon frühzeitig als Grundlage für die Tragwerksplanung genutzt werden kann. Er demonstriert den direkten Import des Architekturmodells von Archicad (via SAF) in den FRILO BIM-Connector®. Im Anschluss bearbeitet der Tragwerksplaner das Modell im BIM-Connector so, dass es für die Ermittlung des Lastabtrags und die statische Berechnung an das Gebäudemodell GEO von FRILO übergeben werden kann. Um den gesamten BIM-Prozess in seinem Büro abzubilden, schneidet Baues außerdem den Abgleich der unterschiedlichen Fachplanungsmodelle mittels Solibri sowie die Kommunikation am Fachmodell an.